Nähe und Distanz – Die Liebeskunst der Verbindung

Ein cooler Leitfaden über Nähe, Distanz, Bindung und Intimität in Beziehungen

In Liebesbeziehungen spürt man es am deutlichsten: An einem Tag möchte man sich eng aneinander schmiegen, am nächsten braucht man etwas Freiraum. Dieser Unterschied kann zu Reibereien führen, mit Missverständnissen, übersehenen Signalen und kleinen Vorwürfen. Dabei ist die Liebe die ganze Zeit präsent. Sie schaut nur etwas verwirrt zu, weil unser Zugang zu ihr getrübt ist. Im Tantra sehen wir diesen Unterstrom als intakt an; was reibt, ist die Abstimmung auf den Rhythmus eurer Verbindung.

Nebenbei bemerkt: Das gleiche Spiel von Nähe und Distanz taucht auch in Freundschaften und bei der Arbeit auf, nur in anderen Formen und mit anderer Sprache. Es bleibt eine Frage des Tempos, der Grenzen und der Abstimmung.

Warum Nähe und Distanz einander brauchen

In der Śaiva-Tradition sprechen wir von spanda: der subtilen Lebenswelle des Öffnens und Zusammenziehens. In Beziehungen erkennt man das als natürliches Annähern und wieder Loslassen. Wer diese Welle zu spüren lernt, erlebt sanfteren Kontakt und wächst im Vertrauen. Manchmal möchte man verschmelzen, manchmal braucht man Kontur und Stille. Diese Abstimmung spielt in allen Arten von Beziehungen eine Rolle: Liebende, Co-Elternschaft, Polykonstellationen, Freundschaften.

Um diesem Rhythmus zu folgen, hilft es zu verstehen, wie dein Körper Sicherheit gelernt hat – deine Bindung.

Was Bindung mit deinem Rhythmus macht

Bei Bindung geht es darum, wie wir Sicherheit im Kontakt gelernt haben. Wer viel abgestimmte Nähe erfahren hat, entspannt sich oft in der Zweisamkeit. Wer Sicherheit in der Autonomie gefunden hat, fühlt sich mit ausreichend eigenem Raum wohl. Alte Verletzungen können den Lautstärkeregler beider Bedürfnisse höher stellen: Du suchst zusätzliche Nähe oder schottest dich schneller ab. Das ist ein Körper, der Schutz sucht.

Auslöser tauchen in kleinen Dingen auf: später nach Hause kommen, ein Wochenendplan ohne Absprache, das Smartphone, das dazwischenkommt. Manchmal vermischen sich Bedürfnisse sogar: Du sehnst dich nach dem Geruch einer Person und wünschst dir dennoch eine Viertelstunde allein. Es hilft, Prioritäten im Moment zu spüren: zuerst diese Welle, dann die nächste.

Ärger als Wegweiser zum Verlangen

Irritation zeigt oft auf das, was du gerne bekommen würdest. „Du sitzt wieder an deinem Handy” kann bedeuten: „Schau mich mal richtig an.” „Du hast schon wieder Pläne ohne mich” kann bedeuten: „Bestätige mir, dass ich wichtig bin.” Indem du Irritation in Verlangen übersetzt, wird das Gespräch sanfter und klarer.

Dein Körper als Kompass

Worte helfen, der Körper spricht direkter. Nähe kann sich warm und weit anfühlen, Raum kann die Brust zum Atmen bringen. Mach eine kurze Bestandsaufnahme: Wo spüre ich Raum? Wo spüre ich Druck? Atme dreimal tief durch und formuliere, was dein Körper jetzt braucht, um für den Kontakt verfügbar zu bleiben. Reaktionen werden so zu Entscheidungen statt zu Reflexen.

Zusammengefasst

  • Nähe und Distanz bilden eine Verbindungsenergie mit einem eigenen Tempo.
  • Bindung und alte Verletzungen beeinflussen deine Vorlieben, ohne dich festzulegen.
  • Irritation zeigt oft einen Wunsch, der ausgesprochen werden will.

Kleine Übung zur Abstimmung

Zeitfenster für Verbindung und Raum

Zeit: 20–30 Minuten pro Block • Ziel: Vorhersehbarkeit und Sicherheit • Fallstrick: über die Dauer verhandeln, anstatt zu fühlen

Plane einen Block ungeteilter Aufmerksamkeit und einen Block Solo-Zeit. Zum Beispiel: zwanzig Minuten zusammen ohne Telefon; dreißig Minuten getrennt mit geschlossener Tür. Rhythmus gibt Halt.

Nachbesprechung. Schließe mit zwei Sätzen ab: „Was hat funktioniert?” und „Was möchte ich anders?” So wird Lernen Teil der Praxis.

Was Tantra konkret beiträgt

Tantra bringt die Aufmerksamkeit zurück in den Körper und in den Raum zwischen euch. Ihr lernt, die Bewegung des Öffnens und Zusammenziehens zu erkennen, ohne zu urteilen und mit Respekt vor Grenzen. Die oben beschriebene Praxis ist einfach, bodenständig und direkt anwendbar. Aus dieser Perspektive ist Verbindung kein konstanter Zustand, sondern eher eine lebendige Welle, die ihr gemeinsam zu reiten lernt. Diese Erkenntnis entlastet, vertieft und macht spielerisch.

Gehen Vereinbarungen nicht auf Kosten der Spontaneität?

Klare Rahmenbedingungen schaffen Sicherheit. Sicherheit fördert Entspannung, und Entspannung ermöglicht Spontaneität.

Einladung

Wenn ihr lernt, die Balance zwischen Nähe und Freiraum zu spüren, bekommt die Liebe Raum zum Atmen und eine Richtung. Wenn ihr damit anfangen wollt, schaut euch doch mal unser Seminarprogramm an oder lasst euch persönlich oder als Paar begleiten, mit klaren, verkörperten Übungen, die zu eurem Tempo und eurer Beziehungsform passen.


Nächste Veranstaltungen

Wir sind zu Berührern von Maschinen geworden

Vor kurzem war es fast überall in den Nachrichten. Die Medien haben darüber berichtet, als wäre was Großes passiert. Das neue iPhone Air ist da! Es ist dünner als je zuvor, leichter als je zuvor. Das lässt auf große Begeisterung hoffen. Ein großer Schritt für die Menschheit, so scheint es. Wir berühren es. Das Smartphone. Öfter als unsere Liebsten, öfter als unsere Freunde, öfter als uns selbst. Unsere Finger kennen seine Konturen besser als die eines menschlichen Gesichts. Wir streicheln den Bildschirm mit einer Zärtlichkeit, die einst für Haut gedacht war.

Manchmal sagt man: „Männer wollen den Größten haben“, jetzt ist es der Dünnste, und nicht nur Männer. Das Smartphone ist zu einem Lustobjekt geworden. Als ob Gewicht und Dicke das letzte Hindernis zwischen uns und der perfekten Verbindung waren. Als ob dieses Gerät uns endlich das geben würde, wonach wir die ganze Zeit gesucht haben.

Aber was haben wir eigentlich gesucht?

Wir berühren, aber verbinden uns nicht

Wir berühren jetzt den ganzen Tag lang. Nicht einander, sondern Geräte. Unser Smartphone, ja – hunderte Male am Tag. Aber auch unseren Laptop, unsere sorgfältig ausgewählte Kaffeemaschine, unsere Waschmaschine mit Touchscreen, unser Auto mit Sensoren und Sprachsteuerung. Wir sind zu Berührern von Maschinen geworden. Und je mehr wir sie berühren, desto weniger scheinen wir uns gegenseitig zu berühren.

Wir scrollen durch Gespräche, aber vermeiden echten Blickkontakt. Wir swipen durch Dating-Apps. Wir verschicken Herzchen, aber vergessen, wie sich ein echter Herzschlag unter unserer Hand anfühlt. Wir berühren, aber verbinden uns nicht. Nicht, weil wir das nicht wollen. wir haben es vergessen. Weil wir glauben, dass Nähe digital sein kann. Dass Berührung eine Schnittstelle ist.

Die Illusion von Luft

„Air” nennt Apple es. Als ob das Gerät so leicht wäre, dass es zwischen uns und der Welt verschwindet. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der Bildschirm ist zu einer Mauer geworden. Zu einer Barriere zwischen Haut und Haut. Zwischen Atem und Atem. Zwischen Mensch und Mensch.

Und die Hersteller von Smartphones und sozialen Medien sind schlau. Sie haben Benachrichtigungen erfunden. Wie viele bekommst du pro Tag? Und bei jeder Benachrichtigung, bei jedem „Ping” werden in unserem Körper Dopamine freigesetzt. Das wissen diese Entwickler ganz genau. Dopamin ist das sogenannte Belohnungshormon. Dopamin lässt unser Gehirn denken, dass möglicherweise etwas Interessantes oder Belohnendes auf uns zukommt. Und deshalb greifen wir immer wieder zu unserem Telefon, checken unsere Mailbox, werden süchtig nach Likes auf Facebook. Ping, ping, ping.

Dopamin ist viel älter als Smartphones, E-Mail oder soziale Medien. Dopamin wurde geschaffen, um bei einer liebevollen Berührung, einer Liebkosung, einer sanften, warmen Hand auf dem Rücken freigesetzt zu werden. Bei einer Umarmung, die länger als 20 Sekunden dauert, wird nicht nur Dopamin freigesetzt, sondern auch Oxytocin und Serotonin, Glückshormone. Und Dopamin schafft die Erwartung, die Hoffnung auf diese Glückshormone. Und bei diesen Benachrichtigungen bleiben wir in dieser Erwartung stecken, hungrig nach einem Glück, das nie kommt.

Wir verwechseln heute Berührung mit Interaktion. Wir denken, dass ein Emoji dasselbe ist wie ein Blick. Dass ein Symbol die Wärme einer Umarmung ersetzen kann. Aber unser Körper weiß es besser. Er sehnt sich nach den Berührungen, für die wir bestimmt sind. Willst du wirklich einen Dopamin- und Oxytocin-Anstieg? Dann küsse. Vor allem in einem romantischen oder intimen Kontext. Kein Kuss-Emoji kann da mithalten.

Wir sind nicht aus Glas gemacht

Wir sind aus Haut gemacht, aus Nerven, aus Blut, das bei echter Berührung schneller fließt. Wir sind nicht dafür gemacht, nur Pixel zu fühlen. Wir sind dafür gemacht, bei einem Kuss zu zittern, bei einer Liebkosung zu entspannen, uns bei einer Berührung zu öffnen, die nichts verlangt, sondern einfach nur da ist.

Deshalb lade ich dich ein. Mit Kama Tantra. Zueinander, statt zu einem Bildschirm. Zu einer echten Begegnung. Zu einer Berührung, die präsent, verbunden, respektvoll und liebevoll ist. Zu einem Raum, in dem wir wieder Menschen sein dürfen, keine Nutzer. Wo wir uns nicht hin und her swipen, wo wir uns spüren. 

Dünner denn je, aber du bist hier

Wenn wir also später das neue iPhone Air auspacken, bewundern wir vielleicht seine Eleganz. Aber lass uns auch spüren, was in unserem Leben dünner geworden ist. Nicht das Gerät, sondern der Raum zwischen uns. Der echte Raum, der Raum, der greifbar und menschlich ist.

Und lass uns diesen Raum wieder füllen. Mit uns selbst. Mit einander. Mit Berührungen, die nicht aufleuchten. Lass deine Berührungen Wärme schenken.

Ich umarme dich … mindestens 20 Sekunden lang!


Nächste Veranstaltungen

Fühlen und Spüren: Der feine Unterschied und seine Bedeutung im Tantra

Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, dass „fühlen” und „“spüren” nicht dasselbe sind. Früher habe ich die Wörter einfach synonym verwendet. Das war auch deshalb besonders schwierig, weil meine Muttersprache, das Niederländische, nur ein Wort für beide Bedeutungen kennt: „voelen”.

Gleichzeitig fiel mir auf, dass auch viele Deutschsprachige die Begriffe synonym verwenden. Irgendwann wurde mir jedoch klar, dass in der Unterscheidung zwischen „fühlen” und „spüren” ein Schlüssel verborgen liegt.

Seitdem begleitet mich dieser Unterschied durch meinen Alltag. Und genau dorthin möchte ich dich heute mitnehmen – zu meiner persönlichen Entdeckung von zwei Paar Schuhen, die beide wichtig sind, aber nicht auf denselben Weg passen.

Fühlen – die Sprache der Emotionen

Fühlen bedeutet, Zugang zur inneren emotionalen Welt zu haben. Es geht um Freude, Trauer, Wut, Sehnsucht oder Angst – Empfindungen, die wir als Teil unseres psychischen Erlebens benennen. Gefühle entstehen, wenn wir Erlebnissen, körperlichen Zuständen oder Gedanken eine Bedeutung geben. Sie sind also keine reinen Sinnesdaten, sondern immer schon interpretiert.

Im tantrischen Verständnis sind Gefühle Energie in Bewegung. Sie sind Ausdruck unseres Lebens, Hinweise auf unsere innere Wahrheit und ein Spiegel unserer Beziehung zur Welt. Anstatt Gefühle zu verdrängen oder zu verurteilen, gilt es, sie bewusst wahrzunehmen und zu ehren. So werden sie zu Wegweisern, die uns tiefer mit uns selbst verbinden.

Spüren – die Sprache der Sinne

Spüren ist die unmittelbare Wahrnehmung des Körpers im Hier und Jetzt. Es umfasst Empfindungen wie Wärme, Kälte, Druck, Leichtigkeit, Vibration oder Enge. Diese Wahrnehmungen sind roh, direkt und noch frei von Interpretation.

Im Gegensatz zum Fühlen bewegt sich das Spüren nicht auf der Ebene der Emotion, sondern auf der Ebene der Sinneserfahrung. Es ist das, was der Körper im Moment mitteilt, ohne dass der Geist sofort eine Geschichte daraus macht. Im Shaiva Tantra wird das Spüren als Rückkehr in den Körper-Tempel verstanden – als unmittelbare Erfahrung des Göttlichen im physischen Dasein.

Wie Fühlen und Spüren zusammenwirken

Fühlen und Spüren sind zwei verschiedene Türen, die oft ineinander übergehen. Häufig entsteht ein Gefühl erst aus einer Empfindung: Ein Druck in der Brust wird als Angst gedeutet, eine Weite im Bauch als Freude, ein Kribbeln in der Haut als Sehnsucht.

Man könnte sagen: Spüren ist der Rohstoff, Fühlen die Interpretation. Das körperliche Signal ist zunächst neutral, erst durch unsere geistige Einordnung wird daraus ein Gefühl. Dieser Prozess geschieht meist unbewusst, doch im tantrischen Alltag wird er zu einer Übung in Bewusstheit.

Wer den Übergang von Spüren zu Fühlen erkennt, gewinnt Klarheit. Nicht jedes Ziehen, Pochen oder Pulsieren im Körper muss automatisch eine Emotion nach sich ziehen. Und nicht jedes Gefühl ist „objektive Realität“, sondern häufig eine Deutung des Körpers. Dieses Bewusstsein öffnet Raum: Raum, um innezuhalten, Raum, um frei zu wählen, Raum, um tiefer zu verstehen.

Warum dieser Unterschied mein Leben verändert hat

Früher war mir nicht klar, wie oft ich „fühlen“ sagte, wenn ich eigentlich „spüren“ meinte – und umgekehrt. Dieses kleine Missverständnis führte zu Verwirrung in Beziehungen und in mir selbst.

Heute weiß ich:
Fühlen verbindet mich mit meinen Emotionen.
Spüren verankert mich im Körper.

Beides gehört zu mir: Gefühle und Körperempfindungen. Wenn ich sie durcheinanderbringe, verliere ich die Klarheit. Bleibe ich nur in meinen Gefühlen, verliere ich manchmal den Halt. Beschränke ich mich nur auf das Körperliche, fehlt mir die innere Dimension. Der tantrische Weg lädt mich ein, beide Ebenen bewusst auseinanderzuhalten – und dadurch inneren Halt und Tiefe zugleich zu finden.

Zwei Paar Schuhe – und beide gehören dir

Heute sage ich manchmal zu Teilnehmenden: „Fühlen und Spüren sind wie zwei Paar Schuhe.“ Wenn du die falschen Schuhe für den falschen Weg trägst, wird es holprig. Doch wenn du lernst, bewusst zu wählen, gehst du leichter, sicherer, näher bei dir selbst.

Im Shaiva Tantra ist genau das der Weg: die feinen Unterschiede wahrzunehmen, die oft übersehen werden, und sie in dein Leben zu integrieren. So kommst du Schritt für Schritt tiefer in Kontakt mit dir – und mit dem Göttlichen in dir.

Probier es aus. Sag heute einmal bewusst: „Ich fühle …“ oder „Ich spüre …“ – und schau, was sich in deinem Erleben verändert.


Frau mit Hände auf Herz und Bauch

Eine kleine tantrische Praxis für dich

Vielleicht möchtest du ausprobieren, was mir so sehr geholfen hat:

  1. Setz dich in Ruhe hin. Schließe die Augen.
  2. Lege eine Hand auf dein Herz und frage dich: „Was fühle ich gerade?“ Vielleicht Freude, vielleicht Angst, vielleicht Stille. Nimm es einfach wahr.
  3. Lege die andere Hand auf deinen Bauch und frage dich: „Was spüre ich gerade?“ Vielleicht Wärme, Kälte, Spannung oder ein sanftes Pulsieren.
  4. Bleibe einige Atemzüge bei diesem Unterschied.

Als ich diese Übung zum ersten Mal machte, war ich überrascht, wie klar plötzlich alles wurde. Gefühle und Empfindungen, beide wichtig – und beide nicht dasselbe.


Tantra Ritualbuch – Zurück zu dir, 7 tantrische Ritual für mehr Selbstverbindung

Wenn dir diese Übung gefällt, schau dir doch mal die Seite zu meinem Buch „Zurück zu dir, 7 tantrische Rituale für mehr Selbstverbindung” an. Dort findest du weitere Übungen dieser Art, die du ganz einfach überall machen kannst. Lass dich von der Kraft ihrer Einfachheit überraschen.

Zurück zu mir - 7 tantrische Rituale für mehr Selbstverbindung

Nächste Seminare

Warum Loslassen kein Verlust ist – Tantrische Sicht auf Veränderung

Loslassen ist echt eine der schwierigsten Sachen im Leben. Wir sind oft so darauf fokussiert, etwas zu bekommen, zu haben, zu erwerben. Dann fühlt sich Loslassen wie Versagen oder Verlust an. Ich kenne dieses Gefühl. Ich habe mal in einem Haus voller Sachen gelebt, einem Familienhaus, in dem ich Kinder großgezogen und in dem wir Sachen gesammelt haben. Einige Sachen waren mit Erinnerungen verbunden und emotional wertvoll. Die meisten waren und blieben aber einfach da, weil Platz dafür war. Als die Kinder aus dem Haus gingen, habe ich fast alles verschenkt, weggeworfen, verkauft. Und ich habe das Haus mit meinen Kleidern, meiner Musik und ein paar Kartons verlassen. Ich fühlte mich leicht und frei und offen für ein neues Leben.

Vielleicht klingt Loslassen auch für dich nach Abschied, Mangel oder Verlust. So haben wir es oft gelernt: Etwas geht weg, etwas fehlt, etwas ist vorbei. Im tantrischen Verständnis gehört Loslassen zu einem größeren, heiligen Fluss. Jeder Abschied öffnet eine Tür. Jeder freie Raum lädt etwas Neues ein.

Wenn du bewusst loslässt, wirkt das wie eine Reinigung. Schichten, die dich schwer machen, lösen sich. Spannungen, die du lange getragen hast, beginnen zu weichen. Es ist wie das sanfte Abwischen von Staub auf einer alten Skulptur – plötzlich erkennst du wieder die feinen Konturen deines eigenen Wesens.

Vielleicht ist es Zeit, eine Kiste zu öffnen – im Keller, im Kopf oder im Herzen – und zu schauen, was wirklich noch zu dir gehört. Der Rest darf in den Fluss zurückkehren.

Woran du festhältst – und was es dich kostet

Im Alltag hältst du vielleicht länger fest, als dir guttut:

  • Beziehungen, die keine Wärme mehr schenken.
  • Dinge, die du seit Jahren nicht benutzt, weil eine Erinnerung daran hängt.
  • Erwartungen, die deinen Kalender füllen, aber keine Freude bringen.
  • Alte Vorstellungen davon, wie du „sein solltest“, die dich nur müde machen.

Manchmal mietest du sogar zusätzlichen Raum – wie bei Shureguard oder einem anderen Lagerhaus – um Kisten voller Dinge zu verstauen, die du weder brauchst noch vermissen würdest, wenn sie weg wären. Und vielleicht lagerst du nicht nur Gegenstände, sondern auch Gefühle, unausgesprochene Worte und unerledigte Entscheidungen. All das nimmt Platz ein – in deiner Wohnung, in deinem Kopf und in deinem Herzen.

Tantrisch loslassen – mehr als Verzicht

Im tantrischen Weg bedeutet Loslassen ein bewusstes Zurückgeben an das Ganze, ein Schritt im natürlichen Kreislauf von Annehmen und Hingeben.

Du kannst dich an diesen Aspekten orientieren:

  • Tyāga – das bewusste Niederlegen dessen, was seine Zeit erfüllt hat.
  • Visarga – das heilige Ausströmen von Energie, Atem, Zuneigung oder Dankbarkeit.
  • Utsarga – das Zurückgeben ohne Erwartung, was danach geschieht.
  • Apohna – das Entfernen von dem, was deine Klarheit trübt.
  • Śūnyatā – die fruchtbare Leere, in der Neues entstehen kann.

Wenn du tantrisch loslässt, öffnest du nicht nur deinen Schrank oder deinen Terminkalender. Du öffnest dein inneres Feld. Die Spannung zwischen Festhalten und Hingeben löst sich, und plötzlich wird deine Lebenskraft wieder spürbar.

Der freie Raum danach

Nach dem Loslassen entsteht ein Zwischenraum. Vielleicht fühlt er sich still, weit und ungewohnt an. Tantrisch betrachtet ist dieser Raum ein Tor: Hier beginnt Transformation.

Das ist der Moment, in dem du spürst: Die Geschichte ist nicht vorbei, sie verändert nur ihre Form. Die Energie, die vorher gebunden war, steht dir wieder zur Verfügung – für Begegnung, Kreativität, Freude, Verbindung.

Loslassen im tantrischen Fluss ist wie ein inneres Ausatmen. Es ist der Punkt, an dem du sagen kannst: Ich vertraue dem Leben. Ich mache Platz.


Loslassen erfahren und üben im Seminar?

Möchtest du auch besser loslassen können in deinem Leben? Möchtest du freier und offener für neue Erfahrungen und Begegnungen sein? Melde dich für unseren Herbst-Workshop „Herbst – Loslassen und Transformation im tantrischen Fluss” an. In 2025 und 2026. Verbinde dich tantrisch mit der Energie der Jahreszeiten.

Seminare "Herbst, Loslassen und Transformation im tantrischen Fluss"


Und wenn du gleich zu Hause loslegen willst, kannst du mit den drei kurzen, und wirkungsvollen Übungen unten anfangen.

3 kurze und wirkungsvolle Übungen

Die Ausatmungs-Geste

Dauer: 3–5 Minuten

  • Setz dich bequem hin, schließe die Augen.
  • Atme tief ein, und wenn du ausatmest, lass die Schultern sinken und die Hände leicht nach vorne gleiten – als würdest du etwas sanft in den Raum geben.
  • Stell dir vor, mit jeder Ausatmung verlässt etwas deinen Körper, das nicht mehr zu dir gehört.
  • Bleib still, bevor du wieder einatmest, und spüre den leeren Raum, den du geschaffen hast.

Die Shureguard-Entrümpelung

Dauer: 10 Minuten

  • Wähle einen kleinen Bereich in deiner Wohnung (Schublade, Regal, Kiste).
  • Nimm einen Gegenstand in die Hand und frage dich: „Brauche ich dich wirklich, oder habe ich dich nur gelagert?“
  • Wenn er nicht mehr zu dir gehört, lege ihn in eine Box für Spenden oder Entsorgung.
  • Beobachte, wie sich dein Körper anfühlt, wenn der Platz frei wird.

Das Herzfeld öffnen

Dauer: 5 Minuten

  • Stell dich aufrecht hin, Füße schulterbreit, Hände vor der Brust.
  • Atme tief ein, hebe die Arme weit nach außen, als würdest du den Horizont umarmen.
  • Mit der Ausatmung führe die Hände sanft nach vorne, Handflächen leicht geöffnet, und „gib“ das, was du in dir trägst, in den imaginären Fluss vor dir.
  • Spüre, wie dein Brustraum leicht und weit wird.

Tantrisches Spielen, Fantasie und Realität verbunden in Non-Dualität

Spielst du noch? Ich meine richtig spielen: kein Brettspiel mit Regeln, kein Fußball. Ein freies Spiel, das aus deiner Fantasie kommt, ein Spiel, das nirgendwohin führt und dich trotzdem überallhin mitnimmt. Ich hatte es lange verloren und habe jahrelang nach diesem Gefühl gesucht, in dem mein Körper spielen will, noch bevor ich es selbst merke. Ein Grinsen erscheint, meine Finger tasten, mein Atem verändert subtil seinen Rhythmus. In solchen Momenten wird mir klar, dass Verspieltheit mehr ist als Entspannung – sie ist eine Lebensweise. Das ist tantrisches Spielen.

In diesem Artikel teile ich, wie ich das Spielen aus dem Shaiva Tantra erlebe: als Tor zu Sinnlichkeit, Hingabe, Energie … und vor allem zur Verbindung mit anderen und mit mir selbst. Das Spiel bringt mich in meinen Körper und öffnet mich für den lebendigen Fluss des Lebens. Man muss nichts können, außer sich trauen, zu fühlen. Gleichzeitig betont die non-duale Tradition, dass die Realität unserer Sinne und die Welt unserer Fantasie beide Wellen im selben Bewusstsein sind – gleich real, gleich illusorisch.

Spiel als Tor zu Lila

Erinnerst du dich noch an das unbeschwerte Lächeln deiner Kindheit, den spielerischen Sprung ohne Grund oder das laute Lachen, das dir einfach so entfuhr? Im Shaiva Tantra nennen wir das Lila – das göttliche Spiel, mit dem das Universum sich selbst erschafft. Durch das Spielen aktivierst du dieselbe kreative Kraft, die Form und Energie in Bewegung setzt. Du musst nichts leisten oder planen. Deine Aufmerksamkeit reicht aus, um dir Zugang zu einem sakralen Tanz der Präsenz, Sinnlichkeit und Hingabe zu verschaffen.

Die Essenz des tantrischen Spiels

Tantrisches Spielen geht über Spiele hinaus: Es ist eine bewusste Lebenseinstellung. Drei Säulen bilden den Kern. Erstens: Präsenz. Dein Körper ist dein Kompass; spüre deinen Atem, deinen Herzschlag, die subtilen Reize auf deiner Haut. Zweitens: Vorstellungskraft. Fantasie ist keine Flucht, sie ist ein kreatives Instrument, das deine innere Welt mit der anderen in Kontakt bringt. Und drittens: Hingabe. Indem du die Kontrolle loslässt, wagst du es, dem spontanen Fluss der Empfindungen zu folgen, ohne zu urteilen oder Erwartungen zu haben.

Tantrisches Spielen in der Intimität

In der Erotik und im Liebesspiel entfaltet sich Verspieltheit auf ihre verführerischste Weise. Eine sanfte Liebkosung am Hals, eine leichte Berührung an der Innenseite des Handgelenks, ein Flüstern, das den Raum für Hingabe öffnet: Jede Geste wird zu einer Einladung. Wenn du spielst, entsteht ein Tanz des Gebens und Nehmens, in dem dein Verlangen und das deines Partners verschmelzen. In diesem Feld der gegenseitigen Abstimmung wächst die Spannung und Sinnlichkeit wird zu einem natürlichen Ausdruck der Verbindung.

Dich dem Körper hingeben

Tantrisches Spielen bedeutet, auf die Impulse des Körpers zu hören: die Hüfte, die sich bewegt, der Atem, der tiefer wird, der Klang, der geboren werden will. Keine feste Reihenfolge oder ein Skript, nur du und deine Empfindungen. In einem Moment der Liebe entdeckst du, was passiert, wenn du dich von der Weisheit deiner eigenen Energie leiten lässt. Du spürst, wohin du fließt, und lässt deinen Partner sich von den Wellen der sich entfaltenden Sehnsüchte mitreißen.

Die Kraft der Vorstellungskraft

Was du dir vorstellst, beeinflusst deinen Energiefluss. Ein einziger Gedanke kann ein Kribbeln auslösen. Ein inneres Bild kann eine Träne oder ein Verlangen hervorrufen. Im tantrischen Spiel ist Fantasie keine Flucht. Sie ist ein Tor zu körperlichem und emotionalem Kontakt. Sie aktiviert dieselben Sinne, die auf Berührungen reagieren – manchmal sogar noch intensiver.

Picasso hat es schon gesagt: „Wenn du es fantasieren kannst, ist es Realität.“ Diese Aussage kommt einer tiefen tantrischen Wahrheit sehr nahe: Unsere Erfahrung wird nicht nur durch das geprägt, was „tatsächlich“ geschieht, sondern auch durch das, was in uns lebt.

Tantrisches Spielen - Pablo Picasso zeichent eine Fantasie und kreiert so eine neue Realität.


Pablo Picasso war ein super spielerischer Künstler. Auf diesem Foto zeichnet er mit Licht. Seine Fantasie wird zu einer Realität, die zwar eine Illusion ist, aber trotzdem echt existiert.

Was ist echt? Spiel, Illusion und non-duale Realität

Nach der non-dualen Tradition – wie im Shaiva Tantra – sind sowohl Sinneswahrnehmungen als auch innere Erfahrungen Ausdruck ein und desselben Bewusstseins. Die Unterscheidung zwischen „innen” und „außen”, „echt” und „imaginär” ist letztlich ein Spiel des Geistes selbst.

Stell dir vor: Dein Partner berührt dich – deine Haut kribbelt. Aber stell dir auch vor, dass du nur an diese Berührung denkst – und dein Körper reagiert trotzdem. Ist der Unterschied zwischen diesen beiden wirklich so groß?

Tantra lädt dich ein, diese Unterscheidung loszulassen. Die Sinne und die Vorstellungskraft sind beide Tore zu lebendigem Kontakt. Spielen – sowohl in der Fantasie als auch in der körperlichen Erfahrung – wird dann zu einem direkten Zugang zu dem, was wirklich gefühlt wird, unabhängig davon, ob es „draußen“ oder „drinnen“ stattfindet. Alles, was Aufmerksamkeit bekommt, lebt.

Tantrisches Spielen im Alltag

Was du in der Intimität übst, kannst du in jede Begegnung mitnehmen. Ob du kochst, spazieren gehst, arbeitest oder redest, spiel die Rolle des aufmerksamen Teilnehmers. Hör mit Staunen zu, beweg dich aus Neugier, sprich aus deinem Herzen. So verwandelst du Routine in Ritual und entdeckst, dass das Sacrale in den kleinsten Momenten steckt. 

Spiel erweitert die Realität und macht dich lebendiger in allem, was du tust.Und auch das ist Kama Tantra: uralte Weisheit und Spiritualität in den Alltag von heute zu bringen.

Möchtest du diese Energie noch weiter erforschen? Du bist sehr willkommen bei unseren Seminaren.

Bild © Luckybusiness stock.adobe.com

„Wir sind Rosen, sagten die Rosen“ – Ein tantrischer Blick auf Verbindung und Selbstliebe

Es gibt Momente, in denen wir uns danach sehnen, wirklich gesehen zu werden, aus der Gruppe herauszutreten, als jemand Einzigartiges. Wir wollen anerkannt werden, spüren, dass wir Bedeutung haben. Und wenn wir uns umschauen, sehen wir, dass es viele gibt, die so sind wie wir. Das hat mich früher echt verwirrt. Ich bin doch gar nicht so einzigartig. Wie kann ich mich dann besonders fühlen? Wie kann ich mich geliebt fühlen, von anderen, von mir selbst, wenn ich so durchschnittlich bin? Ich habe versucht, mich abzuheben, aufzufallen, besser zu sein als andere. Wie ein Affe im Zirkus. „Schaut, ich kann einen Trick, liebt mich!“ „Schaut, ich kann noch einen, und noch einen!“ „Schaut her!“ Später habe ich gemerkt, dass ich den falschen Weg eingeschlagen hatte und mich damit sinnlos erschöpft hatte. Dieses Zitat „Wir sind Rosen, sagten die Rosen“ erklärt das ganz gut.

Der Garten des kleinen Prinzen

In „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry gibt es den Satz: „Nous sommes des roses, dirent les roses.“

Der kleine Prinz reist von Planet zu Planet, überzeugt davon, dass seine einzige Rose, die er mit so viel Liebe und Hingabe pflegt, die einzige ihrer Art ist. Dann kommt er auf die Erde und sieht einen Garten voller Rosen, die genau wie seine aussehen. Seine erste Reaktion ist Verwirrung – war seine Rose denn nicht einzigartig? Auf den ersten Blick scheint er die Besonderheit seiner eigenen Rose in Frage zu stellen. 

Erst als er den Fuchs trifft, ändert sich seine Sichtweise. Der Fuchs zeigt ihm, dass seine Rose doch etwas Besonderes ist, aber nicht wegen ihres Aussehens. Ihr Wert liegt in der Fürsorge und Liebe, die er ihr gegeben hat. Was wir schätzen, gewinnt an Bedeutung.

Das gilt auch für Menschen. Wir blühen durch die Liebe und Hingabe, die wir in unseren Begegnungen erfahren. Nicht weil wir außergewöhnlich sind, sondern weil jemand uns mit echter Aufmerksamkeit sieht, weil es Raum gibt, einander zu spüren, ohne Eile präsent zu sein. Das ist es, was Verbindung vertieft.

Alles ist eins – Verbindung beginnt in dir

In Tantra und Advaita Vedanta kennen wir das besondere Prinzip der Nicht-Dualität: Es gibt keine Trennung zwischen dir und dem Leben, zwischen dir und dem anderen. Alles fließt aus derselben Quelle, alles ist verbunden.

Wir sind Rosen, Tantra Selbstliebe und Verbindung

Wir sind Menschen, sagten die Menschen

So wie die Rosen im Garten des kleinen Prinzen nicht für sich allein stehen, sondern Teil eines größeren Ganzen sind, so sind auch wir Menschen miteinander verbunden. Wir denken oft in Begriffen von Unterschieden, von Abgrenzungen – als ob unser Wert davon abhängt, wie wir uns von anderen unterscheiden. Wenn wir jedoch tiefer schauen, sehen wir, dass das, was uns wirklich lebendig macht, nicht die Tatsache ist, dass wir einzigartig sind, sondern die Beziehungen, die uns nähren. Wir existieren in der Begegnung, in der Energie, die zwischen uns fließt. Das fängt bei uns selbst an. Selbstliebe ist die Basis, auf der jede Verbindung ruht. Es geht nicht mehr darum, ob du „besser” oder „schlechter” bist als die anderen. Wir sind alle Menschen. „Wir sind Menschen, sagten die Menschen”, könnte man in Anlehnung an die Geschichte vom Kleinen Prinzen sagen. Du musst nicht einzigartig sein.

Was dich für dich selbst einzigartig macht, ist der Wert und die Liebe, die du dir selbst schenkst. Du darfst sozusagen deine eigene Rose sein. Wenn du dich selbst wirklich fühlen kannst, in deinem eigenen Körper, in deinen eigenen Gefühlen präsent sein kannst, wird die Begegnung mit einem anderen Menschen ganz von selbst tiefer. Liebe ist dann keine Suche nach Bestätigung mehr. Sie kann zu einem Raum werden, in dem du und der andere sich selbst erkennen können.

Genau wie bei den Rosen wächst die Kraft einer Begegnung durch die Aufmerksamkeit, die wir ihr schenken. Die Schönheit liegt nicht darin, wie einzigartig jemand ist, sondern in der Offenheit, mit der wir ihn erleben. Wenn du jemanden mit Liebe betrachtest, lässt du diese Person aufblühen.

Eine Lektion in Liebe

Wie oft denken wir, dass Liebe gesucht oder verdient werden muss? Wie oft tun wir Dinge, um Liebe zu bekommen? Vielleicht hast du dich schon oft verausgabt, deine Grenzen überschritten und bist trotzdem enttäuscht zurückgeblieben. Die Lösung ist, dass Liebe im „Sein” existiert und nicht im „Tun”. Liebe entsteht in der Gegenwart – in dem Moment, in dem du dich wirklich öffnest, ohne Ablenkung, ohne Erwartungen.

Als der kleine Prinz erkennt, dass seine Rose nicht wertvoll ist, weil sie anders ist als die anderen, sondern weil er sie gepflegt und gehegt hat, verändert sich seine Sichtweise. Liebe ist kein Besitz, keine Exklusivität. Liebe ist ein Feld, das sich immer weiter öffnet, je mehr wir uns darauf einlassen.

Im Tantra wird Liebe als eine Energie gesehen, die durch uns fließt, sobald wir sie zulassen. Liebe ist nicht etwas, das uns zusteht, etwas, das wir erhalten oder nicht erhalten. Jede Begegnung wird zu einem Spiegel – je bewusster wir uns selbst erleben, desto tiefer empfinden wir einen anderen Menschen.

Liebe beginnt in uns selbst, als eine natürliche Wärme, die vorhanden ist, sobald wir nicht mehr versuchen, „zu werden”, sondern einfach zu sein wagen. Liebe als externe Kraft ist eine Illusion.

Wenn du heute jemanden triffst – mit einem Blick, einer Berührung oder einem Wort – erinnere dich daran: Was diesen Moment ausmacht, ist die Energie, die du hineinsteckst. Was wir nähren, wächst.

So wie eine Rose durch die Aufmerksamkeit, die du ihr schenkst, besonders wird, blühen auch Menschen durch die Liebe und Hingabe, die du ihnen in deiner Begegnung entgegenbringst. Weil du sie wirklich siehst.

Vergleiche loslassen, tiefer erleben

Heute scheint alles messbar zu sein – Likes, Anerkennung, Status. Aber Tantra zeigt uns einen anderen Weg. Liebe und Verbundenheit entstehen nicht durch Vergleiche oder Überlegenheit.

Wenn du heute jemanden berührst, frag dich selbst: Wie präsent bin ich gerade? Wie tief lasse ich diese Erfahrung auf mich wirken?

Tantra erinnert uns daran: Was du mit Liebe, Aufmerksamkeit und Präsenz nährst, gewinnt an Bedeutung. Das versuchen wir auch jedesmal zu integrieren in unseren Seminaren.


Nächste Veranstaltungen

Tantra und schuldfreier Fülle in einer Welt der Knappheit

Es fällt mir immer mehr auf: Wir leben inmitten des Überflusses. In Westeuropa sind Nahrung, Gesundheit, Technologie, Komfort und Freizeit in Hülle und Fülle vorhanden. Trotzdem fühlen sich viele gehetzt, ängstlich und unfertig. Als ob immer etwas fehlt: Zeit, Ruhe, Energie, Sicherheit, Orientierung. In unserer Welt, in der fast alles verfügbar ist, scheint das Gefühl des Mangels stärker denn je zu sein. Tantra und Fülle ohne Schuldgefühle zeigen einen anderen Weg – einen, der nicht auf Leistung und Konsum basiert, sondern auf innerer Erlaubnis, zu empfangen, was bereits da ist. Warum leiden so viele Menschen trotzdem unter dieser Knappheit?

Dieses Gefühl der Knappheit kommt nicht von ungefähr. Unsere Gesellschaft profitiert von Knappheit – nicht als Tatsache, sondern als Erfahrung. Diejenigen, die glauben, dass sie knapp sind, suchen weiter. Und diejenigen, die weiter suchen, bewegen sich weiter, kaufen, produzieren, gehorchen. So wird das Gefühl der Knappheit zu einem unsichtbaren Treibstoff: Es hält das System am Laufen.

Mit dieser Feststellung will ich übrigens nicht ignorieren, dass auch in Europa Menschen in Armut leben und dass der Reichtum sehr ungerecht verteilt ist. Mit diesem Text möchte ich vor allem das inszenierte Gefühl der Knappheit in Frage stellen.

Fülle ist erlaubt, solange du dafür bezahlst

Die Wirtschaft koppelt Vergnügen gezielt an Konsum. Ein Wellnesstag, ein luxuriöses Abendessen, ein Lifestyle-Abonnement – all das verwandelt Genuss in eine Ware. Selbst Erholung lässt sich heute verkaufen. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden. Doch was wird, wenn wir nur noch das als Genuss anerkennen, was ein Preisschild trägt? Wenn Freude, Ruhe und Sinnlichkeit ihren Wert verlieren, sobald sie keinen Profit bringen und keine Effizienz steigern?

Diejenigen, die sich innerlich gesättigt fühlen, sind schwerer zu beeinflussen. Keine Werbekampagne kann mit jemandem mithalten, der sich in seinem Körper, in seiner Atmung, im Moment zu Hause fühlt. Deshalb werden unsere natürlichen Impulse wie Ruhe, Freude und sinnliches Vergnügen oft beschnitten. Nicht durch ausdrückliche Verbote, sondern durch sozialen Druck, kulturelle Normen und Wirtschaftssysteme, die immer mehr von dir verlangen.

Tantra und Fülle ohne Schuldgefühle

Laut dieser Anzeige kannst du dein Glück kaufen, sogar mit 50% Rabatt. Ein typisches Beispiel für das Marketing des Überflusses.Es ist erlaubt, weil du dafür bezahlt und dafür gearbeitet hast. Dann musst du dich auch nicht schuldig fühlen.

Angst als Motivator: von der Regierung bis zur Ökologie

Ängste, dass wir nicht genug haben, werden ständig geschürt. Der Wirtschaftssektor nährt sie, um immer wieder Produkte als Lösung für vermeintliche Engpässe anzubieten. Die Regierung greift durch Regulierung und Kontrolle ein, wobei das Versprechen von Sicherheit ihre Legitimität stärkt. Selbst die Umweltbewegung – obwohl sie von Idealismus getrieben wird – nutzt oft die Angst als Mittel: Vorhersagen von Klimakatastrophen beherrschen den Diskurs. Das ist auch richtig, und gleichzeitig halten sie wiederum die Menschen unnötigerweise vom Gefühl der Fülle fern.

Doch gerade diese ökologische Bewegung birgt ungenutztes Potenzial. Ein ökologisches Leben schenkt uns ebenfalls Fülle. In der Verbundenheit mit der Erde, in der Einfachheit, im Rhythmus und in der Sinnlichkeit entdecken wir eine stille Freude, die selten Beachtung findet. Der Weg zur Nachhaltigkeit muss kein Weg der Selbstaufopferung sein – er gewinnt an Tiefe, wenn wir uns lebendig mit allem verbinden, was uns nährt.

Warum Schuldgefühle mit Fülle verwoben sind

Die Schuldgefühle, die mit Vergnügen verbunden sind, sind nicht angeboren. Sie ist erlernt. Durch religiöse Traditionen, in denen dem körperlichen Vergnügen misstraut wurde. Durch Wirtschaftsmodelle, in denen der Wert von der Produktivität abhängt. Durch Erziehungsmuster, in denen Freude zugunsten von Ruhe oder Kontrolle heruntergespielt wurde. Und durch gesellschaftliche Normen, die alles, was zu ausdrucksstark, zu laut, zu frei ist, als übertrieben oder egoistisch abtaten.

Viele haben als Kinder gelernt, dass ihre Lebendigkeit zu viel ist. Dass ihr Tanzen, ihre Fragen, ihr Glück störend sein könnten. So entsteht der Glaube, dass es gefährlich ist, Gefühle zuzulassen. Dass du dich zurückhalten musst, um geliebt zu werden. Dass du nur empfangen kannst, wenn du zuerst gibst.

Diese Überzeugungen setzen sich in unserem Körper fest. Sie machen uns vorsichtig, angespannt und müde. Sie schwächen den Fluss der Lebensenergie, die sich sonst frei bewegen würde.

Fülle beginnt im Körper

Fülle ist kein Besitz, sondern eine Erfahrung. Sie offenbart sich, wenn wir es wagen, bei dem zu verweilen, was bereits da ist. Im Sonnenlicht auf unserer Haut. Im Geruch von frischem Brot. In einer unerwartet zärtlichen Berührung. In der Stille, in der dein Atem spürbar wird. Du musst nichts besitzen, um Fülle zu erfahren – erlaube dem Leben einfach, dich zu berühren.

Diese Erfahrung erfordert Erlaubnis. Die innere Erlaubnis, zu empfangen, berührt zu werden und ohne Erklärung zu genießen. Wir haben gelernt, uns nur dann zu entspannen, wenn wir es verdient haben, und nur dann zu fühlen, wenn es funktional ist. Das Ergebnis ist, dass wir unsere Sinneswelt einschränken, obwohl sie nur das Tor zu einem Reichtum öffnet, der immer verfügbar ist.

Tantra als Erinnerung an innere Freiheit

Tantra durchbricht diese Muster durch direkte Erfahrung. Es lädt dazu ein, das wiederzuentdecken, was wir schon immer waren: fühlende Wesen, verkörpert und lebendig. Alles, was sie verlangt, ist die Bereitschaft, zu fühlen. Und das Leben wieder als etwas zuzulassen, das durch dich fließen will. Nicht als etwas, das du dir unbedingt verdienen musst.

Schuldfreies Genießen ist ein Akt der inneren Befreiung, eine Rückkehr zur Wahrheit. Zu der einfachen, unverfälschten, sanften Erkenntnis, dass du lebendig bist. Dass du genug bist. Dass du atmen, empfangen, berühren, spielen, lieben darfst – ohne Bedingung, ohne Entschuldigung.

Wenn wir zulassen, was wir wirklich sind, werden wir weniger anfällig für Manipulation. Weniger abhängig von Belohnungen. Und gleichzeitig viel gefühlvoller, weicher und kraftvoller.

Fülle ist dein ursprünglicher Zustand

Du musst nichts lösen, um Fülle erleben zu dürfen. Du bist kein Defizit. Du bist kein Projekt, das abgeschlossen werden muss. Der Fluss ist bereits da. Er wartet nur noch auf deine Erlaubnis.

Tantra öffnet die Tür zu diesem Fluss. Nicht um etwas zu besitzen, sondern um voll und ganz zu leben. In Verbindung mit deinem Atem, deiner Haut, deinem Verlangen. Im Kontakt mit dem Reichtum des Augenblicks.

Ohne Schuldgefühle. Ohne Eile. Voll und ganz präsent.

Tantra öffnet den Fluss ohne Schuldgefühle

Im Kama Tantra schaffen wir einen Raum, in dem der Reichtum wieder spürbar wird. Das ist kein Konzept, sondern eine direkte Erfahrung durch den Körper. In unseren Seminaren laden wir die Menschen ein, in ihren eigenen Rhythmus, ihre Sinne und ihren Atem einzutauchen. Das schafft Kontakt – mit dir selbst, mit dem anderen, mit dem Leben selbst.

Du lernst:

  • deinen Körper zu bewohnen, ohne zu urteilen
  • deine Lebensenergie ohne Angst willkommen zu heißen
  • deine Sehnsüchte ohne Scham zu spüren
  • dich ohne Ausreden auszuruhen
  • dein Vergnügen ohne Schuldgefühle zu erleben

Wir arbeiten mit Berührung, Atem, Stimme, Stille und sanfter Präsenz, um zuzulassen, was bereits da ist. Was erscheint, ist eine tiefe, stille Suffizienz. Als ob dein Körper sich daran erinnert, dass er leben darf, ohne Bedingungen.

Lies mehr über unseren Ansatz und unsere Werte: Über Kama Tantra


Seminare in dem Thema

Bewusst fühlen im Tantra – Die Kraft der inneren Zeugin

Vielleicht kennst du das: Jemand sagt etwas, das dich unvermittelt berührt. Oder ein Moment bringt dich aus dem Gleichgewicht – ein Blick, eine Erinnerung, eine Emotion, die plötzlich wie eine Welle in dir hochkommt. Ohne es zu wollen, bist du in einer Reaktion gefangen: Du spannst dich an, ziehst dich zurück oder wirst überwältigt von dem, was geschieht. Später fragst du dich: Warum hat mich das so aus der Bahn geworfen? Wie hätte ich präsenter damit umgehen können? Genau hier beginnt der tantrische Weg der inneren Zeugin. Sie ist kein Konzept, keine Technik, sondern eine Qualität in dir, die dich einlädt, mit allem, was auftaucht, bewusst und liebevoll gegenwärtig zu bleiben – ohne zu fliehen, ohne dich zu verlieren. In diesem Artikel erfährst du, was es bedeutet, in dieser Haltung zu leben und wie du sie in deinen Alltag integrieren kannst.

Die innere Zeugin – dein ruhiger Mittelpunkt

Im tantrischen Verständnis ist die innere Zeugin jene Präsenz in dir, die wahrnimmt, ohne zu bewerten. Sie beobachtet Gedanken, Emotionen, Körperempfindungen und energetische Bewegungen – nicht distanziert, sondern liebevoll, atmend, verkörpert. Wenn du wütend bist, sagt die Zeugin nicht: „Ich bin wütend“, sondern erkennt: „Da ist Wut – und ich bin hier.“ Diese einfache Verschiebung bringt dich aus der Identifikation zurück in die Präsenz.

Die Zeugin ist nicht passiv. Sie ist wach, weit, zugewandt. Sie beobachtet aus einem inneren Raum von Mitgefühl und Klarheit, ohne etwas wegmachen oder verändern zu wollen. Und genau darin liegt ihre Kraft: Sie öffnet dir einen inneren Raum, in dem du fühlen kannst, ohne überflutet zu werden. In dem du atmen kannst, selbst wenn es intensiv wird. In dem du in Beziehung bleibst – zu dir selbst und zu allem, was durch dich hindurchfließt.

Zeugenbewusstsein bringt dich in deine Freiheit

Wenn du lernst, dein inneres Erleben zu bezeugen, anstatt dich damit zu identifizieren, entsteht eine neue Qualität von Freiheit. Du bist nicht mehr Spielball deiner Muster, sondern bewusste*r Zeugin dessen, was dich bewegt. Dabei geht es nicht darum, Gefühle zu unterdrücken oder cool zu bleiben. Im Gegenteil: Du spürst vielleicht sogar intensiver, aber mit einem neuen Boden unter den Füßen.

Zeugenbewusstsein gibt dir die Möglichkeit, bei dir zu bleiben – mitten im Sturm. Es schafft einen inneren Halt, der nicht hart ist, sondern durchlässig, weich, lebendig. Und es ermöglicht dir, aus einer klaren Verbindung mit dir selbst zu handeln, statt aus alten Automatismen.

Zeugenbewusstsein ist keine Dissoziation

Manchmal wird Zeugenbewusstsein mit Dissoziation verwechselt – einem Zustand, in dem du zwar beobachtest, aber innerlich nicht mehr wirklich da bist. Du fühlst kaum, der Körper scheint weit weg. Doch echte tantrische Präsenz ist etwas anderes: Sie ist verkörpert, atmend, mitfühlend. Die Zeugin bleibt in Kontakt – auch wenn es intensiv wird. Wenn du dich entfernt fühlst, hilft es oft, zum Atem zurückzukehren oder den Körper zu spüren. So wird Beobachten wieder lebendiges Dasein.


Engel Damiel als Symbol für liebevolles Beobachten: Bewusst fühlen mit der inneren Zeugin

Ein starkes Bild für das, was die tantrische Zeugin verkörpert, findest du im Film Der Himmel über Berlin, meinem absoluten Lieblingsfilm. Damiel, der Engel, beobachtet die Menschen: ihre Gedanken, ihre Einsamkeit, ihre Verletzlichkeit. Er sieht alles, urteilt nicht, hält Raum. Seine Präsenz ist still, zärtlich und allgegenwärtig. Doch irgendwann merkt er: Es reicht nicht. Er will das Leben nicht nur sehen, sondern fühlen – mit Haut, Herz und Atem. Dieser Wendepunkt ist tief tantrisch. Auch du bist eingeladen, dich nicht in die Rolle der Beobachtenden zu verlieren, sondern dein Bewusstsein ins Leben zu bringen – in Berührung, in Beziehung, in Sinnlichkeit. Die Zeugin in dir darf fühlen, darf lieben, darf weinen, darf lachen. Sie darf ganz Mensch sein – verkörpert, wach und offen.


Eine einfache Praxis für deinen Alltag

Such dir einen ruhigen Moment, in dem du ungestört bist. Setze dich bequem hin, schließe die Augen und spüre deinen Körper. Atme ein paarmal tief durch. Dann erlaube einem Gefühl, Gedanken oder einer Körperempfindung aufzutauchen. Vielleicht ist es etwas Angenehmes, vielleicht auch nicht. Beobachte es mit dem Satz: „Ich sehe dich. Ich bin hier.“

Lass alles da sein, ohne es festzuhalten oder wegzuschieben. Spüre deinen Atem, deine Füße, deinen Herzraum. Bleibe mit dir verbunden – sanft, liebevoll, atmend. Vielleicht dauert es nur fünf Minuten. Vielleicht wirst du überrascht sein, wie viel sich allein durch diese Art des Daseins verändert.

Die Zeugin ist die Tür zu dir selbst

Tantrisches Zeugenbewusstsein ist kein Rückzug aus dem Leben, sondern eine Einladung, tiefer einzutauchen. Es ist eine Haltung, die dich in Kontakt bringt – mit dir, mit deinem Körper, mit deiner Wahrheit. Wenn du aus dieser inneren Weite heraus lebst, musst du nichts mehr verstecken oder zurückhalten. Du darfst ganz du selbst sein, genau so, wie du gerade bist.

Bewusst fühlen mit der inneren Zeugin – Dein Weg zu verkörperter Präsenz

Wenn du diese Qualität in dir stärken möchtest, begleiten wir dich gern. In unseren Workshops kannst du lernen, die Zeugin in dir lebendig werden zu lassen – nicht als Konzept, sondern als verkörperte Erfahrung. Bei Kama Tantra findest du Räume, in denen du bewusst statt brav leben darfst – wach, verbunden, sinnlich und frei.


Nächste Veranstaltungen

Genderdiversität und Tantra: jenseits von Mann oder Frau

Bild: Die Gottheit Ardhanarīśvara – die Vereinigung von Shiva und Shakti in einem einzigen Körper – symbolisiert die Einheit der Gegensätze. Männlich und weiblich fließen hier ineinander, nicht als Widerspruch, sondern als lebendiger Ausdruck innerer Ganzheit. Ein starkes Sinnbild für die Genderdiversität, die in jedem Menschen wohnt: als Spiel zwischen Polaritäten, nicht als starre Grenze.

Wenn jemand einen Raum betritt und nicht in unser vertrautes Bild von „Mann“ oder „Frau“ passt, passiert oft etwas in unserem Körper, bevor wir es selbst merken. Vielleicht verspannst du deine Schultern leicht oder schaust kurz weg. Vielleicht fühlst du Verwirrung, Unbehagen oder weißt einfach nicht, wie du damit umgehen sollst. Genderdiversität berührt selten nur unsere Gedanken – sie berührt etwas Tieferes in uns. Nicht weil sie seltsam oder falsch ist, sondern weil sie uns aus unserem gewohnten Rahmen herausholt und uns mit Teilen von uns selbst konfrontiert, mit denen wir uns lieber nicht beschäftigen wollen: unseren eigenen inneren Grenzen.

Wir leben in einer Kultur, die gerne in Gegensätzen denkt. Mann oder Frau. Schwarz oder weiß. Links oder Rechts. Normal oder anders. Alles, was nicht genau in diese Schubladen passt, scheint unsere Selbstverständlichkeit zu stören. Jemand, der sich anders ausdrückt, fordert unser Selbstbild heraus. Und wenn diese Sicherheit ins Wanken gerät, versucht das Ego, sich zu schützen – mit Urteilen, Distanz oder einem Etikett. Aber genau an diesem Ort des Unbehagens öffnet sich auch eine Möglichkeit: eine kleine Tür zu etwas Neuem. Etwas, das du nur findest, wenn du nicht wegläufst, sondern weiter fühlst.

Tantra lädt dich ein, durch diese Tür zu gehen. Nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Körper. Nicht mit einer Überzeugung, sondern mit Präsenz. Manchmal passiert das ganz unerwartet – in einer Begegnung, einem Atemzug, einer Berührung mit jemandem, der dir etwas zeigt, das du vielleicht in dir selbst vergessen hast.

Die Kraft der Genderdiversität berührt uns tiefer, als wir denken

Trans und nicht-binäre Menschen stellen feste Muster auf den Kopf. Sie zeigen, dass Identität nicht feststeht. Dass „Mann“ oder „Frau“ kein Endpunkt ist, sondern eine Möglichkeit. Sie leben in einem Feld, in dem sich Ausdruck bewegt, in dem Männlichkeit und Weiblichkeit keine Gegensätze sind, sondern Kräfte, die in jedem Menschen vorhanden sein können. Das macht sie stark – und gleichzeitig herausfordernd für alle, die an klaren Grenzen festhalten.

„Das Männliche und das Weibliche sind keine Rollen, die man spielt, sondern Kräfte, die man in sich selbst verwirklichen kann.“

Sally Kempton, Awakening Shakti

Was uns Genderdiversität über Kontrolle und das Ego sagt

Das Ego liebt Klarheit. Es will Schubladen, Namen, Ordnung. Du bist dies, ich bin das. Aber wenn jemand sich außerhalb dieses Systems bewegt, gerät das Ego aus dem Gleichgewicht. Es fühlt sich unwohl, zieht sich zurück oder versucht, mit Worten und Urteilen wieder Halt zu finden. Tantra sagt nicht, dass das falsch ist – es ist menschlich. Es ist ein Schutzmechanismus. Aber auch eine Einladung, tiefer zu schauen. Nicht sofort etwas über den anderen zu denken, sondern zu spüren, was in dir selbst berührt wird.

Eine persönliche Erfahrung in einem Tantra-Workshop

Vor ein paar Wochen traf ich zum ersten Mal eine transsexuelle Person in einem Tantra-Workshop. Mein erster Gedanke war ehrlich gesagt ganz einfach: „Soll ich diese Person jetzt als Mann oder als Frau sehen?“ Ich merkte, wie ich nach Anerkennung suchte, nach einem Rahmen. Und der Körper dieser Person, ihre Energie, ihre Präsenz – nichts davon passte genau zu dem, was ich kannte. Sie war noch sichtbar auf dem Weg ihrer Transition. Nicht „unfertig“, sondern lebendig, roh, echt. Und genau das machte es so beeindruckend.

Irgendwann spürte ich, wie sich etwas in mir veränderte. Eine Erkenntnis, ganz leise: Ich brauche überhaupt kein Etikett. Ich brauche das nicht, um jemanden als Menschen zu begegnen. Ohne diese Erwartungsschicht blieb etwas anderes übrig: reine Präsenz.

Diese Begegnung hat mich tiefer berührt, als ich erwartet hatte. Denn wenn ich ehrlich war, entdeckte ich auch in mir selbst Aspekte, die ich zuvor verdrängt hatte. Meine Verspieltheit, meine Sanftheit, meine Fähigkeit, mich zu verändern. In dem anderen sah ich Teile von mir selbst – Teile, die auch in mir leben, aber noch nicht alle ganz ihren Platz gefunden haben.

„Wer Mann und Frau als eins sieht, wer Unterschiede und Gemeinsamkeiten als Illusion erkennt, der kommt ins Herz der Göttin.“
Kālī Tantra (traditionelle mündliche Überlieferung, zitiert von Ajit Mookerjee in Kālī: The Feminine Force)

Shiva und Shakti: innere Kräfte jenseits des Geschlechts

Im Tantra entspringt alles aus zwei Urkräften: Shiva und Shakti. Shiva ist der stille Raum, das Bewusstsein. Shakti ist die Lebensenergie, die Bewegung, der Fluss. Oft werden sie mit männlicher und weiblicher Energie assoziiert, aber es geht nicht um das biologische Geschlecht. Es geht um Qualitäten, die in jedem Menschen leben – und die zusammen einen Tanz bilden.

Wer diese Kräfte in sich selbst spüren und verkörpern lernt, merkt, dass Mann und Frau keine festen Rollen sind. Trans- und nicht-binäre Menschen zeigen das oft intuitiv. Sie erinnern uns daran, dass diese Energien sich in vielen Formen ausdrücken können. Sie zeigen, dass das Göttliche nicht feststeht, sondern sich immer wieder neu erfindet.

Warum Genderdiversität uns manchmal mit unserem Schatten konfrontiert

Aber genau diese Freiheit – das Loslassen fester Formen – ruft oft Widerstand hervor. Nicht weil es falsch ist, sondern weil es etwas in uns berührt, das einst verdrängt wurde. Der ausdrucksstarke Stil einer nicht-binären Person kann deine eigene unterdrückte Verspieltheit berühren. Die Zärtlichkeit einer Transfrau kann dich an eine Verletzlichkeit erinnern, die du einst verdrängt hast. Und ihre Freiheit außerhalb der Norm kann dich mit deinem eigenen Wunsch konfrontieren, dich von Erwartungen zu befreien.

Was wir in uns selbst nicht sein durften, lehnen wir später außerhalb von uns ab. Und genau da entsteht Projektion. Genau da beginnt die Arbeit.

Tantra und Schattenarbeit: zu sich selbst nach Hause kommen

Tantra lädt dich ein, diese Projektionen nicht zu verurteilen, sondern zu erforschen. Wenn du merkst, dass jemand mit einer geschlechtsdiversen Ausstrahlung etwas in dir auslöst – Unbehagen, Irritation, Faszination – dann wende dich nach innen. Wo spürst du Anspannung? Was passiert in deinem Atem, deinem Bauch, deinem Becken? Und vielleicht noch tiefer: Welcher Teil von dir möchte dort leben?

Vielleicht sehnst du dich nach mehr Sanftheit, nach mehr Raum zum Spielen, um zu sein, wer du bist. Lass das zu. Bewege dich damit. Atme es ein. Gib ihm Form. Denn was du in dir selbst annimmst, musst du nicht mehr auf andere projizieren. Und was du in dir selbst erkennst, kannst du auch im anderen sehen.

Das Göttliche kennt keine Schubladen – Tantra umfasst alle Formen

Tantra zeigt uns, dass das Göttliche keine feste Form hat. Es bewegt sich zwischen Shiva und Shakti, zwischen Stille und Ekstase, zwischen Mann und Frau – aber auch dazwischen und darüber hinaus. Es zeigt sich im Tanz, in der Berührung, im Atem. Trans- und nicht-binäre Menschen sind keine Abweichung von diesem Geheimnis – sie sind das Geheimnis. Sie erinnern uns daran, dass das Heilige sich nicht in eine Rolle oder einen Namen festlegen lässt. Das Bewusstsein will sich frei ausdrücken, wenn wir ihm nur den Raum dafür geben.

Eine Begegnung von Mensch zu Mensch

Ich glaube, dass wir alle Ausdruck derselben Quelle sind. Wir haben unterschiedliche Körper, unterschiedliche Geschichten, unterschiedliche Wunden und unterschiedliche Arten, uns zu schützen. Aber darunter sind wir eins: dasselbe Bewusstsein, derselbe Atem, dieselbe Liebe.

Während dieses Workshops durfte ich das erleben. Wir haben uns lange umarmt. Keine Worte, nur Atem, Präsenz, Verbindung. Ich sah keine „trans Person“ mehr. Ich sah ein anderes Gesicht meiner eigenen Menschlichkeit – vielleicht sogar ein freieres Gesicht. Es war ein seltenes Geschenk. Eine Berührung jenseits von Form und Erwartung. Eine echte Begegnung, in der ganzen Breite dessen, was es bedeutet, Mensch zu sein.

Wenn du das wirklich fühlst – nicht nur verstehst –, verschwindet das Bedürfnis zu urteilen. Dann siehst du den anderen nicht als etwas, das dich herausfordert, sondern als etwas, das dich einlädt. Dann fällt die Maske des Egos weg und bleibt nur noch das: Begegnung. Von Mensch zu Mensch. Von Seele zu Seele. Von Leben zu Leben.


Für mehr Infos check bitte unseren Verhaltenskodex und unsere Seite über Inklusion bei Kama Tantra.


Nächste Veranstaltungen bei Kama Tantra

Im Tantra geht es oft um Ekstase – aber was ist das eigentlich?

Das Wort Ekstase taucht im Tantra immer wieder auf. Du liest es auf Websites, hörst es in Workshops und spürst, wie es in Gesprächen zwischen Menschen, die sich „geöffnet“ haben, mitschwingt. Diese Woche habe ich an einem Fortbildungskurs teilgenommen, bei dem eine Teilnehmerin die Frage stellte: „Kann man im Tantra Ekstase erreichen, weil dies in der Werbung so oft dargestellt wird?“ Darauf antwortete die Lehrerin: „Es kommt ganz darauf an, was du unter Ekstase verstehst.“ Also, was meinen wir eigentlich, wenn wir von Ekstase sprechen? Diese Fragen haben mich neugierig gemacht. Ist es ein Orgasmus, der länger als normal anhält? Eine spirituelle Befreiung? Eine Energie, die durch deinen Körper strömt, bis du in Tränen ausbrichst? Oder ist es etwas ganz anderes – etwas, das sich leise in dir entfaltet, wie eine Blume in der Dunkelheit?

Tantra lädt uns ein, über die Klischees hinauszuschauen. Hinter dem Wort Ekstase verbirgt sich eine Landschaft der Erfahrung, der Mystik, der Verkörperung und des Missverständnisses. In diesem Text nehme ich dich mit auf eine Reise durch diese Landschaft. Von der subtilen, zeitlosen Ekstase des klassischen Tantra – in der Ekstase kein Gefühl, sondern ein Seinszustand ist – bis hin zur lebendigen, sinnlichen Erfahrung der Ekstase im Neo-Tantra. Und wir werfen auch einen ehrlichen Blick darauf, wie Ekstase heute in Kursen und im Marketing präsentiert wird, manchmal als ein Versprechen, das nicht jeder halten kann.

Vielleicht ist Ekstase kein Ziel, das du anstrebst, sondern ein Zustand, in dem du nach Hause kommst – wenn sich dein Körper öffnet, dein Verstand verstummt und etwas Größeres durch dich zu fließen beginnt.

Frau - die stille Extase des klassischen Tantra

Die stille Ekstase des klassischen Tantra

In alten Schriften – wie dem kaschmirischen Shivaismus – wird Ekstase als Ananda beschrieben: Glückseligkeit jenseits von Freude oder Schmerz. Sie entsteht nicht durch Streben, sondern durch Erinnern. Es ist die Erfahrung dessen, was schon immer da war – wenn das Denken verstummt, das Selbst verschwindet und die Energie ganz natürlich zu fließen beginnt. Nicht weil du sie erzeugst, sondern weil du aufhörst, sie zurückzuhalten.

Ananda ist kein Gefühl, sondern eine Eigenschaft des Seins selbst. Der Duft einer Blume, bevor du sie riechst. Das Glühen des Sonnenlichts, bevor du deine Augen öffnest. Es entsteht in der Stille zwischen deinen Gedanken, in einem Atemzug, den du nicht zu kontrollieren versuchst, in der subtilen Berührung deines inneren Selbst.

In den Büchern von Daniel Odier, in Visualisierungen wie dem Bhairavi Cakra (*) oder in der Verkörperung von Göttinnen wie Kali ist Ekstase die Öffnung der Gegenwart. Nicht eine Explosion, sondern eine Erleichterung. Nicht eine Höhe, sondern eine Tiefe, in der du dich wiederfindest.

Die lebendige Ekstase des Neo-Tantra

Die lebendige Ekstase des Neo-Tantra

Und dann gibt es noch eine andere Form der Ekstase. Lebendiger. Spürbarer. Noch greifbarer. Die Ekstase des Neo-Tantra. Sie entfaltet sich in Retreats, Ritualen, Berührungen, Atem. Sie füllt deinen Brustkorb, lässt dich zittern, lässt Tränen fließen, Klänge erklingen. Ekstase ist eine Hingabe an den Körper, an den Moment, an alles, was sich ausdrücken will.

Diese Ekstase hat ihre Wurzeln in der modernen körperorientierten Therapie, in der Atemarbeit, im Schamanismus und in der Arbeit von Osho. Sie wird nicht meditiert – sie wird erlebt. Ein Orgasmus, der nicht im Becken aufhört, sondern sich in die Brust, die Kehle, die Fingerspitzen und manchmal sogar tief in die Wirbelsäule ausbreitet.

Bei diesem Ansatz ist die Ekstase auch ein Raum für Heilung. Um zu spüren, was lange verborgen war. Um das zu heiligen, was einst weggeschoben wurde. Hier ist der Körper kein Hindernis, sondern ein Tempel. Nicht etwas, das es zu überwinden gilt, sondern etwas, in dem sich das Göttliche verkörpert.

Was verbindet diese Welten?

Klassische und neotantrische Wege scheinen manchmal weit auseinander zu liegen. Der eine sucht die Stille, der andere den Fluss. Der eine wendet sich nach innen, der andere bewegt sich nach außen. Und doch gibt es einen unsichtbaren Faden.

Denn egal, ob du in der Meditation sitzt oder dich im Atem bewegst, es ist jedes Mal die gleiche Schwingung, die sich zeigt. Der gleiche innere Raum, der sich öffnet. Derselbe Körper, der weiß. Auf dem klassischen Weg erscheint die Ekstase, wenn das Denken zum Stillstand kommt. Auf dem modernen Weg, wenn dem Gefühl erlaubt wird, sich auszudrücken. 

Beides ist Teil des Menschseins zu seiner Zeit. Und in beiden Fällen geht es nicht darum, etwas zu erreichen, sondern darum, sich zu erinnern. Es geht nicht um Kontrolle, sondern um das Zulassen.

Das Versprechen der Ekstase – und seine Tücken

Im modernen Tantra ist die Ekstase oft zum Wegweiser geworden. Workshops versprechen „göttliche Orgasmen“, „völlige Ekstase an einem Wochenende“, „ultimatives Energieerwachen“. Und ja, manchmal passiert dort etwas Magisches. Aber manchmal eben auch nicht.

Denn wenn die Ekstase als Ware präsentiert wird, wird sie angreifbar. Sie wird vom Geheimnis zum Versprechen. Von der Hingabe zur Erwartung. Und das bringt Druck mit sich. Vergleich. Selbstzweifel.

Die Wahrheit ist: Ekstase entsteht nicht auf Kommando. Sie stellt sich ein, wenn du bereit bist, loszulassen. Wenn du es wagst, das zu fühlen, was jetzt ist – selbst wenn es Stille ist. Selbst wenn es nichts ist.

Wahre Ekstase kann nicht erzwungen werden. Sie erscheint. In einem Moment der Leere. In einem Blick. Einem Atemzug. Einer Berührung.

Die Einladung

Du musst keinen Höhepunkt erreichen, um ekstatisch zu sein. Du musst keine perfekte Atmung haben oder tausend Mantras kennen. Du musst nur in deinem Körper präsent sein – mit dem, was ist.

Die Ekstase ist nicht außerhalb von dir. Sie lebt in deinem Gewebe, deinen Rhythmen, deiner Haut. Sie klopft sanft, wenn dein Körper sich sicher fühlt. Wenn es ihm erlaubt ist, zu seufzen. Wenn er weinen darf. Wenn er genießen darf.

Manchmal kommt sie plötzlich – wie eine Welle, die dir den Rücken hinunterläuft. Und manchmal flüstert sie leise – wie eine warme Vibration in deiner Brust. 

Die Ekstase kommt nicht, weil du sie willst, sondern weil du sie willkommen heißt.

* Das Bhairavi Cakra ist ein klassisches tantrisches Ritual aus der Kaula-Tradition, bei dem ein heiliger Kreis aus Männern und Frauen gebildet wird, um die Einheit des göttlichen Weiblichen (Shakti) und Männlichen (Shiva) zu verkörpern. Das Bhairavi Cakra transzendiert das Gewöhnliche – nicht durch Dogmen, sondern durch direkte Erfahrung.


Weiter auf dem Pfad der Ekstase reisen

Wenn du nach der Lektüre dieser Worte das Gefühl hast, dass etwas in dir weiter erforschen, tiefer sinken und sich weicher öffnen möchte, dann bist du willkommen. Es gibt viele Wege zur Ekstase, und keiner sieht für jeden gleich aus.

Manchmal liegt sie im Atmen, während du liebst, manchmal in einem Moment der Stille zwischen zwei Herzschlägen. Manchmal erscheint sie in einer Träne, die endlich fließt, oder in einem Blick, der dich bis in dein Innerstes berührt.

Bei Kama Tantra teilen wir keine Dogmen, sondern Erfahrungen. Keine Endpunkte, sondern Einladungen. Keine Versprechen, sondern Erinnerungen. Lass dich ergreifen, nicht von dem, was du glaubst zu suchen, sondern von dem, was sich dir zeigt, wenn du still wirst und fühlst.

Ob du deine Sehnsucht vertiefen, deinen Atem öffnen oder die Stille in dir wiederfinden willst – vertraue darauf, dass sich die Ekstase zeigt, wenn du nicht mehr drängst.

Nächste Veranstaltungen