Selbstliebe im Tantra: Wie du durch innere Akzeptanz die Liebe zu dir finden kannst

Selbstliebe – ein Konzept, das in den letzten Jahren immer populärer geworden ist. Lange Zeit fiel es mir sehr schwer, Zugang zu ihr zu finden. Ich habe einfach nicht verstanden, warum man sich selbst lieben sollte. In meiner Erziehung ging es vor allem darum, nicht zu zufrieden mit sich selbst zu sein. Das galt als unbescheiden und damit als unangemessen. Wir wurden dazu erzogen, immer besser, schneller, schlauer und angepasster zu werden. Selbstliebe würde zu Faulheit führen. Später habe ich jedoch erkannt, dass ich ohne Selbstliebe keine wahre Liebe für andere empfinden kann. Dieser Schritt zur Selbstliebe ist ein entscheidender Schritt zu einem tantrischen Lebensstil.

Was bedeutet Selbstliebe wirklich?

Manchmal scheint es, als sei Selbstliebe ein ferner, kaum erreichbarer Zustand. Wir sind oft kritisch mit uns selbst, unzufrieden oder denken, dass wir nicht genug sind. Warum ist das so? Was hält uns davon ab, uns so zu lieben, wie wir sind?
In unserer Gesellschaft suchen wir oft außerhalb von uns selbst nach Liebe und Bestätigung. Wir lassen uns von Influencern, Werbung, und sozialen Medien beeinflussen. Dabei vergessen wir die wichtigste Beziehung in unserem Leben – die Beziehung zu uns selbst. Tantra bietet effektive Tools, um diese Beziehung zu vertiefen.

Akzeptans als tantrische Weg zur Selbstliebe: Die 4-Schritte-Methode

Selbstliebe beginnt mit Selbstreflexion und aktiven Handlungen. Hier ist eine einfache, aber wirkungsvolle Methode, die dir helfen kann, eine tiefere Beziehung zu dir selbst aufzubauen:

1. Erkenne deine Gefühle: „Ich fühle …“

Alles beginnt mit dem Erkennen deiner Gefühle. Setze dich an einen ruhigen Ort, schließe deine Augen und frage dich: „Wie fühle ich mich wirklich?“ Diese einfache Frage kann oft schwer zu beantworten sein, da unsere Gefühle von Ängsten, Unsicherheiten oder alten Glaubenssätzen verdeckt werden. Tantra lehrt uns, dass es keine falschen Gefühle gibt – jedes Gefühl ist eine Botschaft von unserer inneren Essenz. Indem du deinen Gefühlen zuhörst, öffnest du die Tür zu einem tieferen Selbstverständnis.

„Alle menschlichen Emotionen sind das Ergebnis davon, ob unsere Bedürfnisse erfüllt oder unerfüllt sind.“ – Marshall Rosenberg

2. Benenne deine Bedürfnisse: „Ich brauche …“

Nachdem du deine Gefühle erkannt hast, frage dich: „Was brauche ich jetzt wirklich?“ Manchmal ist es Frieden, manchmal Bewegung, manchmal Verbindung. Tantra lehrt uns, diese Bedürfnisse ohne Urteil zu akzeptieren und ihnen Raum zu geben. Deine Bedürfnisse sind wichtig und zeigen dir den Weg zu einem erfüllteren Leben.
Vermeide dabei den Konjunktiv. Statt „Ich sollte mehr in der Natur sein können“ sage: „Ich brauche mehr Kontakt zur Natur.“

3. Akzeptiere, was ist: „Ich akzeptiere es“

Der dritte Schritt besteht darin, deine Gefühle und Bedürfnisse zu akzeptieren, ohne zu urteilen. Tantra lehrt uns: „Was ist, darf sein.“ Dies bedeutet, in einen Zustand der Akzeptanz zu kommen – dich so zu akzeptieren, wie du bist, mit all deinen Bedürfnissen und Gefühlen. Dieser Akt der Selbstakzeptanz ist tief heilend und nährend. Zu akzeptieren was gerade ist, kann auch bedeuten zu akzeptieren, wenn du gerade nicht akzeptieren kannst. Anzuerkennen, dass man gerade nicht in der Lage ist, akzeptierend mit sich umzugehen ist genauso ein wichtiger Schritt.

4. Aktives Handeln: „Was kann ich tun, um mein Bedürfnis zu erfüllen?“

Der letzte Schritt fordert dich auf, aktiv zu werden. Frage dich: „Was kann ich tun, um mein Bedürfnis zu erfüllen?“ Dies ist der Moment, in dem du deine Selbstliebe in die Praxis umsetzt. Ob du eine Pause machst, eine Nachricht an einen Freund sendest oder Zeit in der Natur verbringst – übernimm Verantwortung für dein eigenes Wohlbefinden.

„Es ist schwierig, Glück in sich selbst zu finden, aber es ist unmöglich, es irgendwo anders zu finden.“ – Arthur Schopenhauer

Die Kraft der Selbstliebe im Tantra

Im Tantra verstehen wir, dass Selbstliebe die Grundlage jeder spirituellen Praxis ist. Wenn wir uns in unserer Ganzheit akzeptieren – mit all unseren Schatten und unserem Licht – öffnen wir uns für eine tiefere Verbindung mit dem Göttlichen. Die Methode „Ich fühle … – Ich brauche … – Ich akzeptiere es – Was kann ich tun?“ hilft dir, deine inneren Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen. Sie bringt dich in den Fluss des Lebens, in dem du dir erlaubst, wirklich zu leben und zu lieben.

Selbstliebe ist kein Ziel, sondern ein Weg – und Tantra bietet dir die Karte, um diesen Weg mit Achtsamkeit und Freude zu gehen. Ich habe erkannt, dass Selbstliebe nicht mit Egozentrik zu verwechseln ist. Es geht darum, mich so anzunehmen, wie ich bin. Zu erkennen dass das genug ist und dass ich damit so viel anfangen kann. Und in meinen Beziehungen zu anderen kann ich mich aus dem Überfluss und nicht aus dem Mangel heraus verbinden. Ich brauche die Liebe anderer nicht, um meinen Mangel an Selbstliebe zu kompensieren, denn genau das wäre egozentrisch.

Mit dieser Vier-Schritte-Methode kannst du einen Weg zur Selbstakzeptanz finden. Damit du endlich erfährst, wie es sich anfühlt, gut genug zu sein und für dich selbst die Zulassung zu finden, deine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Denn du bist es absolut wert.


Der tantrische Weg zu mehr Selbstliebe: Melde dich für unseren Workshop in Köln an

Wenn du den Schritt zu mehr Selbstliebe machen möchtest, aber Unterstützung in einer Gruppe suchst, melde dich zu unserem Workshop „Ich lieb dich nicht, du liebst dich nicht: Der tantrische Weg zu mehr Selbstliebe“ in Köln an. Hier wirst du lernen, wie du die tantrischen Methoden zur Selbstliebe in deinem Alltag anwenden kannst.

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Muss es im Tantra jeder mit jedem machen?

Ein weit verbreitetes Missverständnis über Tantra ist, dass es um sexuelle Freiheit geht, bei der es „jeder mit jedem“ während der Rituale oder Übungen tun muss. Dieses Bild ist jedoch eine Vereinfachung dessen, worum es im Tantra wirklich geht. Obwohl Tantra die Energie der sexuellen und spirituellen Verbindung anerkennt, stehen die persönliche Entscheidung, der Respekt vor Grenzen und die tiefere spirituelle Entwicklung immer im Mittelpunkt. In diesem Blog spreche ich darüber, wie die Partnerwahl im Tantra funktioniert, insbesondere bei Kama Tantra. Dabei geht es auch um die Bedeutung der Selbsterkenntnis und darum, wie man sich für neue Erfahrungen öffnen kann, ohne Erwartungen und Projektionen an die andere Person zu stellen.

Worum geht es beim Tantra wirklich?

Beim Tantra geht es darum, eine bewusste Beziehung zu deiner eigenen Energie und der des anderen zu entwickeln, nicht nur körperlich, sondern auch spirituell und emotional. Obwohl sexuelle Energie eine Rolle spielen kann, ist Tantra viel breiter und tiefer als nur sexuelle Rituale. Es ist ein Weg zur Selbsterkenntnis und zum spirituellen Wachstum. Die Vorstellung, dass Tantra einfach „freie Liebe“ bedeutet, beruht auf Missverständnissen, die vor allem in der westlichen Welt entstanden sind. Ein wichtiger Teil des Tantra ist es, sowohl die eigenen Grenzen als auch die der anderen zu respektieren, unabhängig von der Art des Rituals oder der Übung.

Grenzen und Selbsterkenntnis bewahren

Eines der Grundprinzipien des Tantra ist es, die eigenen Grenzen zu spüren und zu wahren. In einigen tantrischen Ritualen, wie z.B. der Chakra Puja (einem Gruppenritual), werden die Teilnehmenden ermutigt, sich für die Energie anderer zu öffnen, aber das geschieht immer auf der Basis von Freiwilligkeit und Respekt vor den persönlichen Grenzen. Niemand wird gezwungen, etwas zu tun, womit er nicht einverstanden ist. Selbsterkenntnis ist hier wichtig. Bevor du an einem Ritual oder einer Übung teilnimmst, ist es wichtig zu spüren, wo deine Grenzen liegen. Das kann durch Hineinspüren in dich selbst, Meditation, tantrische Übungen oder einfaches Nachdenken geschehen. Wenn du deine Grenzen kennst, kannst du sie deinem Partner mitteilen und eine sichere und respektvolle Umgebung schaffen.

Bei Kama Tantra wird dieses Bewusstsein durch einen Verhaltenskodex während der Workshops gestärkt. Dieser Kodex unterstreicht die Bedeutung von Zustimmung und Selbstverantwortung in jeder Interaktion, sowohl körperlich als auch emotional. Die Teilnehmer/innen werden dazu angehalten, ihre persönlichen Grenzen klar zu kommunizieren und zu respektieren.

Offen sein für neue Erfahrungen

Tantra ermutigt dazu, offen zu sein und neue Erfahrungen zu machen, aber immer innerhalb der Grenzen, die du dir selbst setzt. Das kann bedeuten, dass du bei einem Ritual oder einer Übung aus deiner Komfortzone gehst, aber es ist wichtig, dass du dies in deinem eigenen Tempo tust. Es geht nicht darum, dich zu zwingen, sondern dich für das zu öffnen, was in diesem Moment möglich ist, ohne zu urteilen. Neue Erfahrungen im Tantra zu machen, bedeutet nicht, dass du dich mit jedem körperlich verbinden musst. Vielmehr geht es um die Absicht und die Energie, die ihr miteinander teilt, wobei ihr euch auf das Spirituelle und nicht auf das Körperliche konzentriert.

Erwartungen loslassen und Projektionen vermeiden

Eine der wichtigsten Lektionen im Tantra ist das Loslassen von Erwartungen und das Vermeiden von Projektionen auf die andere Person. Oft haben wir unbewusst Erwartungen, wie sich eine andere Person verhalten oder wie ein Ritual ablaufen sollte. Diese Projektionen können unsere Erfahrung behindern und zu Frustration oder Enttäuschung führen. Im Tantra lernst du, den anderen so zu akzeptieren, wie er oder sie ist, ohne zu verlangen, dass er oder sie deine persönlichen Erwartungen erfüllt. Das bedeutet, die andere Person ohne die Brille deiner eigenen Wünsche oder Ängste zu sehen und dich für die Realität des Augenblicks zu öffnen.

Die Göttlichkeit im anderen anerkennen

Ein sehr wertvoller Teil der tantrischen Spiritualität ist das Erkennen der Göttlichkeit in der anderen Person. Jede Person, unabhängig von ihrem Aussehen, Geschlecht oder Hintergrund, wird im Tantra als eine Manifestation des Göttlichen gesehen. Das bedeutet, dass du, egal ob du mit einem festen Partner oder einem anderen Teilnehmer an einem Ritual zusammen bist, immer versuchst, die Göttlichkeit in der anderen Person zu sehen und zu ehren. Das schafft eine tiefere spirituelle Verbindung und ein größeres Gefühl von Respekt und Wertschätzung. In diesem Zusammenhang geht es nicht um die körperliche Form, sondern darum, den anderen als gleichwertiges, göttliches Wesen zu erleben.

Bei Kama Tantra geht es um Wahlfreiheit und Respekt

Die Vorstellung, dass jeder im Tantra mit jedem anderen zusammen sein „muss“, ist ein Trugschluss. Im Tantra geht es um Selbsterkenntnis, Respekt vor Grenzen und tiefe, spirituelle Verbindungen. Die Partnerwahl ist immer freiwillig und basiert auf gegenseitigem Respekt. Indem du dich für neue Erfahrungen öffnest, Erwartungen loslässt und die Göttlichkeit im anderen anerkennst, ermöglicht dir Tantra, dich auf eine Reise des persönlichen Wachstums und der spirituellen Bereicherung zu begeben, ohne deine eigenen Grenzen zu überschreiten.

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Die nächsten Workshops bei Kama Tantra

Konsens in Berührung: Grenzen als Bestimmung der Freiheit, nicht als Einschränkung

Freiheit ist heute ein kostbares Gut, für das andere schon lange für uns gekämpft haben. Die Freiheit, unsere Meinung zu äußern, unseren Lebensweg zu wählen und, ja, auch die Freiheit in unseren Beziehungen. Und wie definieren wir Freiheit im Zusammenhang mit Nähe, Berührung und unserer Sexualität? Das Konzept des Konsens ist untrennbar mit Grenzen verbunden. Anfangs sah ich diese Grenzen oft als Einschränkung, als Ablehnung, als Barriere, die zwischen mir und der anderen Person stand, manchmal als Tabu. Nach und nach begann ich, sie anders zu betrachten. Heutzutage sehe ich Grenzen eher als Einladung zur Begegnung, als bewusste Abgrenzung eines Spielfelds, auf dem wir uns frei begegnen und mit dem anderen interagieren können, auch körperlich. Konsens und Grenzen in Berührung zeigen, wo die Zustimmung endet, und umgekehrt zeigen sie die Zustimmung, die es gibt. Und genau in diesem Raum kann viel Schönes geschehen.

Die Bedeutung der Konsens im Tantra

Berührung spielt im Tantra eine zentrale Rolle – nicht nur körperlich, sondern auch energetisch. Berührung ist ein Austausch von Energie, eine intensive Form der nonverbalen Kommunikation. Diese Kommunikation kann jedoch nur dann tiefgreifend und heilsam sein, wenn beide Personen ihr Einverständnis geben und ihre Grenzen klar benennen. In der tantrischen Philosophie ist jede Berührung, jeder Kontakt ein heiliger Akt, der nur in einem Raum des gegenseitigen Respekts und Einverständnisses stattfinden darf.

Einverständnis bedeutet, die Grenzen des anderen zu respektieren – nicht als Einschränkung unserer Freiheit, sondern als Erweiterung unserer Möglichkeiten. Indem wir die Grenzen des anderen respektieren, schaffen wir einen Raum, in dem sich beide Partner sicher fühlen, um sich auszudrücken und zu erkunden. Es ist wie ein Tanz: Jeder Schritt ist koordiniert, jeder Kontakt wird mit Achtsamkeit und Respekt ausgeführt. Auf diese Weise wird die Grenze nicht zu einer Mauer, sondern zu einer Tanzfläche, auf der beide Partner ihre Bewegungen frei gestalten können.

Grenzen als Ausdruck von Respekt und Liebe

Wir haben oft das Gefühl, dass Grenzen uns einschränken, dass sie uns davon abhalten, die ganze Tiefe einer Beziehung zu erleben. Aber wir können sie auch als Ausdruck von Respekt und Liebe sehen? Eine klare Grenze zu setzen bedeutet, dass wir es wagen, ehrlich zu uns selbst und zu der anderen Person zu sein. Wir teilen mit, was uns wichtig ist, und fühlen uns dadurch sicher und respektiert. Auf diese Weise wird eine Grenze zu einem Tor, das uns zu einem tieferen Verständnis des anderen und zu einer echten Verbindung führt.

Beispiel: Wenn wir uns vorstellen, dass ein Partner oder eine Partnerin in einer tantrischen Praxis seine oder ihre Grenze setzt und sagt, dass er oder sie heute nur eine sanfte Berührung an der Schulter möchte, gibt uns diese Grenze eine klare Richtung vor. Anstatt dies als Einschränkung zu sehen, erkennen wir es als Einladung, uns auf eine neue Art zu verbinden. Diese Klarheit gibt uns die Freiheit, uns kreativ und mit ganzem Herzen auf die Übung einzulassen.


DAS KONSESRAD VON BETTY MARTIN

Das von Betty Martin entwickelte Konsensrad ist ein wirkungsvolles Modell, das uns hilft, die Dynamik von Konsens RadBerührung, Wünschen und Grenzen besser zu verstehen. Das Modell dreht sich um vier grundlegende Rollen, die wir während einer Interaktion einnehmen können: Geben, Empfangen, Nehmen und Zulassen. Indem wir uns dieser Rollen bewusst werden, lernen wir zu unterscheiden zwischen dem, was wir eigentlich wollen, und dem, was wir dem anderen zuliebe erlauben. Gerade weil dieses Modell das Thema Zustimmung so klar und deutlich erfasst, arbeiten wir im Kama Tantra oft mit dieser Methode. Sie lehrt uns, unsere Wünsche klar zu erkennen und auszudrücken, die Wünsche des anderen aufrichtig zu akzeptieren und ehrlich in uns selbst zu beurteilen, ob wir ihnen aus vollem Herzen zustimmen können. Und das Ganze ist ungeheuer befreiend.


Konsens schafft Vertrauen und Intimität

In jeder Beziehung, ob romantisch, freundschaftlich oder therapeutisch, ist Vertrauen der Schlüssel zur Intimität. Ohne Vertrauen können wir uns nicht vollständig öffnen und die Tiefen unserer Gefühle und Wünsche nicht erkunden. Konsens ist der Grundstein für dieses Vertrauen. Indem wir die Grenzen des anderen respektieren und unsere eigenen klar benennen, schaffen wir einen sicheren Raum, in dem beide Partner wachsen und sich entwickeln können.

Ein praktischer Ansatz im tantrischen Kontext ist die Praxis der bewussten Berührung, bei der beide Partner zunächst ihre eigenen Grenzen und Bedürfnisse erforschen und sie dann mit ihrem Partner teilen. Diese bewusste Praxis schärft nicht nur die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung, sondern vertieft auch das Verständnis und die Empathie für den Partner.

Grenzen sind flexibel, aber sie gehören zu uns

Im Tantra lernen wir, dass Grenzen flexibel sein können – sie können sich ändern, je nachdem, wie wir uns fühlen und was wir in einem bestimmten Moment brauchen. Aber es ist wichtig zu verstehen, dass diese Flexibilität aus einer Position der Stärke und des Bewusstseins kommt. Grenzen setzen bedeutet nicht, starr oder unnachgiebig zu sein, sondern zu wissen, wo wir stehen und was wir in diesem Moment brauchen. Sie sind kein endgültiges Urteil, sondern ein lebendiges, atmendes Element unserer persönlichen Integrität.

Konsens und Grenzen in Berührung, eine Einladung zum Spiel

Letztlich geht es mir darum, unsere Perspektive zu ändern: Grenzen sind keine Mauern, die uns trennen, sondern Pfosten, die das Spielfeld unserer Begegnungen markieren. Sie geben uns die Freiheit, innerhalb eines sicheren Rahmens zu spielen und zu wachsen. Sie laden uns ein, kreativ zu sein, zu erforschen und tiefer zu gehen – im Wissen, dass wir durch die Erlaubnis der anderen Person gehalten und unterstützt werden. Auf diese Weise wird jede Berührung, jeder Blick, jede Geste zu einem bewussten Akt der Liebe und des Respekts, zu einer Erkundung der unendlichen Möglichkeiten, die in der Begegnung mit dem anderen liegen.


Die heilende Kraft der Berührung: Warum wir sie brauchen und doch fürchten

Ich erinnere mich noch lebhaft an meinen ersten Tantra-Workshop in Berlin. Etwa 30 Teilnehmer, Fremde, Menschen, die ich noch nie zuvor getroffen hatte. Frauen und Männer. Menschen, zu denen ich mich hingezogen fühlte, und andere, denen ich aus dem Weg gehen wollte. Und ich wusste, dass es beim Tantra um Berührung geht. Ich spürte in mir den Wunsch, mich mit Menschen körperlich zu verbinden. Ich schaute auf diese Gruppe und wurde von allen möglichen Gedanken und Gefühlen überwältigt. Sie dort lächelte mich an. Die andere schaute weg. Was, wenn ich mit ihr in eine Begegnung gehen sollte? Und was war mit all den Männern? Ich hatte noch nie Männer berührt, außer beim Sport und beim Kämpfen. Mit beidem hatte ich so gut wie keine Erfahrung. Die Angst, einen Mann zu berühren, von einem Mann berührt zu werden. Die Angst, eine Frau zu berühren und zurückgewiesen zu werden. Es trotzdem zu versuchen und erstaunt zu sein über die Wirkung, über die Tiefe, über die Verbindung mit einer fremden Person, die doch fast so ist wie ich. Ich habe berührt und wurde berührt. Auf sehr viele verschiedene Arten, mit sehr unterschiedlichen Gefühlen. Während eines einzigen Workshops eröffnete sich mir eine ganze Welt.

Warum fällt uns Berührung so schwer, wo wir sie doch so sehr brauchen?

Berührung ist eine der ältesten und stärksten Formen der menschlichen Kommunikation. Sie ist wie ein stiller Dialog ohne Worte, der Vertrauen, Sicherheit und Verbindung schafft.

Berührung ist ein kraftvolles Mittel für Wohlbefinden und Gesundheit, das zahlreiche Vorteile bietet: Sie reduziert Stress und Angst durch die Freisetzung von Oxytocin, stärkt das Immunsystem, lindert Schmerzen und fördert die Herzgesundheit durch die Senkung von Blutdruck und Herzfrequenz. Zudem verbessert Berührung den Schlaf, indem sie die Produktion von Serotonin und Melatonin anregt, und unterstützt die Verdauung durch die Stimulation des Vagusnervs. Darüber hinaus stärkt sie emotionale Bindungen, schafft Vertrauen und vermittelt ein Gefühl von Zugehörigkeit, was zur emotionalen und sozialen Gesundheit beiträgt. Insgesamt kann regelmäßige Berührung die Lebensqualität erheblich steigern.

Aber warum fällt es uns oft so schwer, Berührung zuzulassen oder zu geben, obwohl wir uns tief im Inneren danach sehnen? Die Antwort auf diese Frage ist komplex und hängt von vielen Faktoren ab. Kulturelle Normen, persönliche Erfahrungen und emotionale Verletzungen spielen eine große Rolle, ebenso wie die Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

Die Angst vor Berührung: ein universelles Phänomen

Viele Menschen fühlen sich unsicher oder sogar ängstlich, wenn es um Berührung geht. Diese Angst kann verschiedene Ursachen haben: soziale Konditionierung, negative Erfahrungen oder die Angst vor Ablehnung und Missverständnissen. In unserer westlichen Kultur wird Berührung oft sexualisiert oder zum Tabu erklärt, was die Schwelle erhöht. In der Generation meiner Eltern hatte man mit Berührungen eigentlich gar nichts am Hut. Es gab den gelegentlichen Händedruck, einen kleinen Kuss auf die Wange, der in die Luft gedrückt wurde. Aber eine Umarmung oder ein Kuss, Hand in Hand spazieren gehen, aneinandergekuschelt auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzen, das war alles nicht drin. Viele meiner Altersgenossen haben es so erlebt. Dieser kulturelle Rahmen sorgte dafür, dass wir uns immer weiter von der heilenden Kraft der Berührung entfernten.

Männer umarmen sich beim Fußball

In unserer Gesellschaft fühlen sich Männer beim Sport oft viel freier, andere Männer zu berühren als in anderen Situationen. Wenn zwei Männer wie auf diesem Bild Arm in Arm durch die Stadt laufen würden, würde das mit Sicherheit als homosexuell angesehen werden.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Männer und Berührung: das Diktat der Stärke

Für Männer kann Berührung eine besondere Herausforderung sein, denn traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit betonen oft Härte, emotionale Zurückhaltung und Autonomie. Vielen Männern wurde beigebracht, dass Berührung – vor allem mit anderen Männern – ein Zeichen von Schwäche oder Verletzlichkeit ist. Diese Konditionierung führt dazu, dass sie Berührungen vermeiden, die nicht offensichtlich sexuell oder aggressiv sind. Berührungen unter Männern, die nicht im Sport stattfinden, werden außerdem oft sexualisiert und mit Homosexualität in Verbindung gebracht.

Untersuchungen von Dr. Uday Dokras (Sexology of Tantra) zeigen, dass Männer häufiger als Frauen einen „Berührungsmangel“ erleben, der zu Gefühlen der Isolation und Einsamkeit führen kann.

Frauen und Berührung: zwischen Bedürfnis und Schutz

Für Frauen ist Berührung oft mit einer Doppelmoral behaftet. Einerseits wird von ihnen erwartet, dass sie emotional und berührungsfreundlich sind, andererseits müssen sie in vielen Kulturen ständig die Grenze zwischen erwünschter und unerwünschter Berührung wahren. Vielen Frauen wurde beigebracht, vorsichtig zu sein, weil Berührungen auch bedrohlich sein können, zum Beispiel im Zusammenhang mit Belästigung oder Gewalt. Diese Zweideutigkeit bedeutet, dass Frauen oft zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und dem Wunsch nach Selbstschutz hin- und hergerissen sind.

Die heilende Kraft der bewussten Berührung

Ich hatte das Privileg zu erleben, wie Berührung in der tantrischen Philosophie als ein kraftvoller Weg zur Verbindung und Heilung gesehen wird. Das gilt vor allem für die spezifischen Zusammenhänge von Berührung bei Männern und Frauen. Berührung zuzulassen ist eine heilende Erfahrung, bei der du viele Beschränkungen loslassen und dich körperlich freier fühlen kannst. Dabei geht es darum, Berührung als eine bewusste, achtsame Praxis zu verstehen, die weit über den rein körperlichen Kontakt hinausgeht. Berührung kann helfen, tief verborgene emotionale Blockaden aufzulösen und uns wieder mit unserem inneren Selbst und anderen zu verbinden. Für Männer und Frauen bedeutet das, alte Konditionierungen loszulassen und einen neuen Umgang mit Berührung zu finden – einen, der auf Respekt, Aufmerksamkeit und authentischer Kommunikation beruht.

 Praktische Tipps für eine gesunde Kultur der Berührung

  • Schaffe Bewusstsein: Werde dir deiner eigenen Vorurteile und Ängste bewusst. Welche Überzeugungen und Erfahrungen beeinflussen deine Haltung gegenüber Berührung?
  • Übe bewusste Berührung: Beginne mit einfachen, bewussten Berührungen in einer sicheren Umgebung. Massagen oder Partner-Yoga können wunderbare Möglichkeiten sein, Berührung neu zu erleben.
  • Verbessere die Kommunikation: Sprich offen über deine Bedürfnisse und Grenzen. Das schafft Vertrauen und beugt Missverständnissen vor.
  • Berührung als Meditation: Nimm dir Zeit, um Berührung bewusst zu erleben. Sei präsent und spüre die Energie, die durch Berührung fließt.

Letzter Gedanke

Für mich ist Berührung nicht nur ein körperlicher Akt, sondern eine spirituelle Erfahrung, die uns uns selbst und anderen näher bringen kann. Es liegt an uns, die Mauern aus Angst und Scham zu durchbrechen und uns wieder für die heilende Kraft der Berührung zu öffnen.